Alternativen zum E-Auto gibt es nicht
Für Volker Quaschning ist klar: Am Elektroauto führt kein Weg vorbei, wenn der Klimawandel noch abgewendet werden soll. Im Interview räumt der Berliner Professor für Regenerative Energiesysteme zudem mit Vorurteilen gegen die Elektromobilität auf und macht sich für Omas Sonntagsbraten stark.
Text Reto Neyerlin Fotos Silke Reents
Sie waren im März an einem Workshop von Volkswagen als Gastredner eingeladen. Zu Beginn Ihres Referats wiesen Sie darauf hin, dass diese Situation vor drei Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Wie meinten Sie das?
Ich wäre früher gar nicht eingeladen worden. Ich sage seit Jahren, dass wir keine neuen Verbrennerautos mehr zulassen dürfen, wenn wir die Klimaschutzziele erreichen wollen. Was für Volkswagen natürlich eine negative Botschaft ist. Und so kritikfähig war man in Wolfsburg damals noch nicht, um jemandem das Wort zu erteilen, der sagt, ihr macht zwar einiges richtig, aber auch vieles falsch.
Inzwischen treibt Volkswagen die Elektromobilität voran wie kaum ein anderer Hersteller. Ist man damit auf dem richtigen Weg?
Wir wissen inzwischen, wie viele CO₂-Emissionen wir noch verursachen dürfen, damit das Pariser Klimaschutzabkommen eingehalten wird. Das Budget der europäischen Länder ist spätestens in zwanzig Jahren, eher schon in zehn Jahren erschöpft. Ab da dürfen wir kein CO₂ mehr verursachen, also kein Erdöl, kein Gas und keine Kohle mehr verbrennen. Mit dem Umstieg auf die Elektromobilität geht VW den richtigen Weg. Meiner Meinung nach aber eher spät.
Der ID.3 ist das erste Modell, das CO₂-neutral zu den Kunden kommt. Ist das die Grundvoraussetzung, damit die Elektromobilität überhaupt Sinn macht?
Das Ziel der Elektromobilität ist ja, klimaneutral zu werden. Dafür müssen wir in zwei Punkten eingreifen: der Herstellung und dem Betrieb. Zum Laden brauchen wir ausreichend Solar- und Windstrom – oder auch Wasserkraft wie bei euch in der Schweiz. In der Herstellung ist ein Elektroauto durch die grosse Batterie wesentlich energieintensiver als ein Verbrenner. Da fällt die CO₂-Bilanz umso mehr ins Gewicht. Ehrlicherweise muss man aber sagen, dass der ID.3 noch nicht real CO₂-neutral produziert wird, sondern es wird aktuell viel kompensiert. Erst wenn die Werke ausschliesslich mit erneuerbaren Energien betrieben werden, ist die Herstellung tatsächlich klimaneutral.
Mit dem Umstieg auf die Elektromobilität geht VW den richtigen Weg.Volker Quaschning
Die E-Mobilität hat es immer noch schwer in Europa. Was ist nötig, damit sie richtig in Fahrt kommt?
Warum hat sie es schwer? Weil wir noch ganz viele Vorurteile und Widerstände gegen die Elektromobilität haben. Dabei kann das E-Auto tatsächlich ein Game-Changer für den Klimaschutz werden. Häufig hat Klimaschutz den Nimbus des Verzichts. Das Elektroauto hingegen bietet sogar einen Komfortgewinn und mehr Fahrspass.
Der Wasserverbrauch für die Lithiumgewinnung einer ganzen E-Auto-Batterie beträgt gerade mal so viel wie für die Produktion eines Kilos Rindfleisch.Volker Quaschning
Ein häufiger Kritikpunkt ist der Abbau der Rohstoffe, die für die Batterie benötigt werden.
Ein Auto herzustellen, ist generell ein sehr grosser Eingriff. Wir reden von einer Tonne Stahl, Kupfer und vielem mehr, das wir dafür aus der Erde holen. Im Vergleich dazu fallen die Rohstoffmengen für die Batterie auch nicht aus dem Rahmen. Wer beim E-Auto ein Problem mit den Rohstoffen hat, sollte in der Konsequenz ganz auf das Auto verzichten. Übrigens beträgt der Wasserverbrauch für die Gewinnung des Lithiums eines ganzen Batteriepakets gerade mal so viel wie für die Produktion eines Kilos Rindfleisch. Was uns aber selbstverständlich nicht davon entbindet, dafür zu sorgen, dass wir die Rohstoffgewinnung künftig umweltverträglicher hinbekommen.
Ein anderes Thema ist die Reichweite der Elektroautos.
Es gibt bereits E-Fahrzeuge mit Reichweiten von 400 Kilometern oder mehr, auch den ID.3 kann man mit Batteriepaketen von bis zu 550 Kilometern kaufen. Hier sind wir nur noch unwesentlich vom Benziner entfernt, auch wenn der Ladevorgang natürlich etwas länger dauert als das herkömmliche Tanken. Das Elektroauto kann ich dafür zuhause laden – idealerweise mit Strom aus der eigenen Solaranlage – und muss nicht extra an die Tankstelle. Und als praktisches Beispiel: Wir sind im Sommer mit unserem E-Auto zum Urlaub in die Schweiz gefahren. Auf der 1200 Kilometer langen Strecke haben wir unterwegs knapp zwei Stunden lang geladen. Bei einer über zehnstündigen Fahrt sollte man diese Pausen sowieso einlegen.
Gibt es denn genug Ladestationen?
Theoretisch kann man ja an jeder Steckdose laden, aber das dauert entsprechend lange. Schnellladestationen gibt es in Mittel- und Nordeuropa aktuell genug, entscheidend wird sein, das Ladenetz parallel mit der Elektromobilität auszubauen. Auch deshalb ist es gut, dass VW jetzt voll mit einsteigt. Wenn mehrere Anbieter da sind, entsteht auch bei der Ladeinfrastruktur Konkurrenz.
Alternativen zum Elektroauto sehen Sie keine?
Aus Sicht des Klimaschutzes ganz klar nein. Wir werden bei den Verbrennungsmotoren keine Effizienzeinsparungen erzielen können, die für das Klima relevant wären. Und die häufig genannte Alternative, der Wasserstoff, ist bei Personenwagen schlicht zu ineffizient. Um ein Wasserstoffauto zu betreiben, benötigt es fast dreimal so viel Strom wie für ein Batterieauto. Zudem wird die Technik teuer bleiben, auch die Tankstellen kosten irre viel, insofern sehe ich das Wasserstoffauto nur als Nischenprodukt. Hingegen könnte der Wasserstoff dort zum Einsatz kommen, wo wir keine andere sinnvolle Lösung haben: im Flug- und Schiffsverkehr oder in der Stahlindustrie.
Ihr Leben ist energetisch vorbildlich: Sie wohnen in einem Niedrigenergiehaus, ernähren sich vegan und fahren ein Elektroauto. Müssen alle so leben wie Sie, um das Klima zu retten? Oder geht es auch mit weniger?
Vegan ist für viele ja noch extremer, als auf das Auto zu verzichten (lacht). Wissen Sie, welches Lebensmittel in Bezug auf den Klimaschutz das problematischste ist? Die Butter. Das ist den meisten gar nicht bewusst. Die Landwirtschaft verursacht etwa einen Sechstel der Treibhausgase, der Energiekonsum rund 80 Prozent. Das sind die beiden grossen Bereiche, die wir in den Griff bekommen müssen. Wobei es kein kompletter Fleischverzicht sein muss – aber sich auf den Sonntagsbraten zu beschränken, wie es bei Oma früher üblich war, wäre doch ein guter Kompromiss.
Volker Quaschning betreibt eine Website zu den Themen erneuerbare Energien und nachhaltige Mobilität: www.volker-quaschning.de
Persönlich
Volker Quaschning (51) ist Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Seine Forschungsarbeit umfasst die klimaverträgliche Energieversorgung und dezentrale Solarstromspeicher. Er ist Mitinitiant von «Scientists for Future», einer Vereinigung von 27'000 Wissenschaftlern aus Deutschland, der Schweiz und Österreich, welche die Jugend-Klimaaktivisten «Fridays for Future» unterstützt. Volker Quaschning ist verheiratet und Vater dreier Kinder.