50 Jahre Golf – der Volks-Rennwagen
Dieses Jahr feiert der Golf sein 50-jähriges Bestehen. Mit ihm erblickte auch der GTI das Licht der Welt. Dieser machte Volkswagen praktisch über Nacht zu einem wichtigen Akteur im Motorsport. Der kompakte Renner dominierte Tourenwagenserien, gewann Rallye-Weltmeisterschaften – und kommt bis heute zu Renneinsätzen, wie etwa am Critérium Jurassien.
Text Reto Neyerlin, Fotos Ludovic Carnal, Jonas Luthi
Die Entscheidung, welche Reifen er aufziehen soll, war schlussendlich eine leichte. Pünktlich vor dem 45. Critérium Jurassien Ende April hatte es nochmals heftig geschneit. Und so montierte Christian Chavanne vor der ersten Wertungsprüfung Winterpneus auf seinen Golf I GTI. Sie blieben während der ganzen Rallye drauf, denn der Motorsport-Event in den Freibergen bot an zwei Tagen abwechslungsweise die ganze Palette von Sonne, Regen und Schnee.
Es ist magisch», freute sich der 51-jährige beim Start über die Wetterkapriolen, die er als Jurassier bestens gewohnt ist. Er trat in der Kategorie Slowly Sideways an, bei der historische, meist nachgebaute Rallye-Fahrzeuge zum Einsatz kommen. Im Falle von Christian Chavanne war es eine Replika des Golf I Rallye von Klaus-Joachim «Jochi» Kleint.
Mehrere hundert Arbeitsstunden hatte Chavanne dafür in einen Golf I GTI mit Jahrgang 1980 gesteckt: Er verbreiterte die Radkästen, ersetzte die Glasscheiben mit Plexiglas, baute einen Überrollkäfig ein und modifizierte einen 1,6-Liter-Golf-Motor gemäss dem damaligen Gruppe-2-Reglement. Die Folierung war ebenfalls dem Vorbild nachempfunden, wobei es sich der Jurassier nicht nehmen liess, auch das 50-Jahr-Jubiläum des Golf zu würdigen.
Erster Werksfahrer von Volkswagen
Jochi Kleint nimmt in der Motorsport-Geschichte des GTI eine ganz besondere Rolle ein: Als erster Volkswagen Werksfahrer startete er 1977 – also nur ein Jahr nach der Markteinführung des Kompaktsportlers – mit einem Golf I GTI an der deutschen Rallye-Meisterschaft. Legendenstatus erlangte der deutsche Rennfahrer, als er in den 1980er-Jahren am «Pikes Peak International Hill Climb» in den USA, dem anspruchsvollsten Bergrennen der Welt, dreimal mit einem Golf II GTI mit Doppel-Turbomotor den Gesamtsieg anstrebte – und 1987 auf dem Weg zur Bestzeit wegen eines Defekts an der Radaufhängung kurz vor dem Ziel ausschied (s. auch Box).
Von Defekten blieb Christian Chavanne am Critérium Jurassien verschont. Sein Golf I GTI verrichtete über die 140 Rennkilometer und insgesamt acht Wertungsprüfungen zuverlässig seinen Dienst. Die Platzierung war dabei nebensächlich: In der historischen Kategorie wurden die Zeiten nicht gemessen. Dennoch waren der Pilot und sein Beifahrer Christophe Hanser möglichst zügig unterwegs – der nur 790 Kilogramm schwere und 160 PS starke Sport-Golf erreichte auf den kurvigen Strecken mehrmals die Höchstgeschwindigkeit von rund 170 Stundenkilometern.
Christian Chavanne ist dem GTI-Virus seit drei Jahrzehnten verfallen. Er lernte zwar auf einer anderen Marke als Volkswagen, im Lehrbetrieb hatten sie aber einen Golf I GTI als Ersatzwagen. Und als er das erste Mal damit fuhr, war es um ihn geschehen. «Dieser Sound und diese Kraftentfaltung – für mich gibt es nichts Vergleichbares.»
Besitzer von 30 Golf GTI
Inzwischen sind über 30 Golf GTI der Generationen I bis IV in seinem Besitz. Einige befinden sich in Top-Zustand wie sein Rallye-Golf oder ein oranger Golf I GTI, mit dem er auf den Strassen rund um seinen Heimatort Coeuve unterwegs ist. Daneben finden sich rund um seine Werkstatt aber auch Modelle, die er zum Ausschlachten verwendet. Denn inzwischen hat der gelernte Automechaniker und Carrosseriespengler sein Hobby zum Beruf gemacht: Er repariert und restauriert alte Autos, mit Vorliebe natürlich historische Golf.
Als Präsident des Golf-Clubs Jura hat Christian Chavanne 2024 – nebst dem 50-Jahr-Jubiläum seines Lieblingsautos – noch einen zweiten Grund zu feiern: Die alljährliche Club-Ausfahrt findet im Herbst bereits zum 25. Mal statt. Und dafür hat er etwas ganz Besonderes geplant. Genau 50 Golf-Modelle sollen sich dieses Jahr auf den Weg machen.
Der GTI – ein echter Rennwagen
1974 startete der Golf seine Erfolgsserie und mit ihm kurze Zeit später auch der Golf GTI. Vor 1975 war Volkswagen auf der Weltkarte des Motorsports kaum existent. Doch mit dem Golf I GTI, der 1976 auf den Markt kam, änderte sich dies rasant. Der Kompaktsportler wurde sehr schnell von Privatfahrern entdeckt und in der Gruppe 1 (Serientourenwagen) eingesetzt – in der Klasse bis 1,6 Liter erwies er sich als nahezu unschlagbar. Von 1977 bis 1982 gab es zudem einen Markenpokal mit dem Golf I GTI, zeitgleich eroberte die Rennserie unter dem Namen «VW Rabbit-Cup» auch die USA.
Im Rallyesport begann sich Volkswagen ebenfalls ab 1977 werksseitig zu engagieren. Herausragend war 1986 der Weltmeisterschaftstriumph in der Gruppe A mit dem Golf II GTI.
Hoch hinaus wollte man am legendären Pikes-Peak-Bergrennen in den USA, wo Volkswagen von 1985 bis 1987 den Sieg auf 4301 Metern anstrebte. Jochi Kleint steuerte dabei jeweils einen Golf II GTI mit Bi-Turbo-Motor, der in der letzten Ausbaustufe gewaltige 652 PS auf die Strasse brachte – und kurz vor dem Ziel auf Bestzeitkurs liegenblieb.
In der Neuzeit feierte der Golf in der TCR International Series Erfolge. 2016 gewann der Tessiner Stefano Comini, 2017 der Franzose Jean-Karl Vernay im Golf GTI TCR die Tourenwagen-WM. Die letzten grossen TCR-Titel errang Autorama Motorsport aus Wetzikon (ZH) von 2019 bis 2021 in der 24-Stunden-Langstreckenserie.
In der Schweizer Motorsportszene gehörte der Golf GTI der ersten und zweiten Generation zu den meistverbreiteten Modellen bei den Tourenwagen. Es gab sogar ein offizielles Schweizer AMAG-Sportteam. Zudem veranstaltete AMAG ab 1976 mit dem VW Golf Cup den ersten Markenpokal der Schweiz. Dieser wurde zwar mit dem Golf LS durchgeführt, der Sieger erhielt jedoch einen neuen Golf GTI. Bis heute kommt der Kompaktsportler von VW in der Schweiz rennmässig zum Einsatz – unter anderem bei Slaloms, Bergrennen und Rallyes.
Zusammengestellt von Peter Wyss,
ehemaliger Redaktor Rennsport Schweiz