Der neue T-Roc trägt Volkswagen in die Zukunft
Die zweite Generation des T-Roc tritt sportlicher, wertiger und erwachsener auf. Im Interview erklärt Volkswagen Chefdesigner Andreas Mindt, wie das Kompakt-SUV die Brücke zur Elektromobilität schlägt und welche Rolle KI im Autodesign spielt.
Interview: Moritz Doka, Chefredaktor Automobil Revue
Bilder: Volkswagen
Herr Mindt, was ist Ihr gestalterisches Highlight am neuen T-Roc?
Andreas Mindt: Die Proportionen. Der T-Roc hat den Körper eines SUV, aber ein flaches Dach. Diese Kombination – zusammen mit den kraftvollen Schultern über den Rädern – lässt das Auto besonders präsent und kraftvoll wirken. Zudem ist der neue T-Roc deutlich klarer und ruhiger als sein Vorgänger gestaltet – und er blickt nach vorn.
Der T-Roc ist vermutlich das wichtigste Auto für Volkswagen, seit Sie Chefdesigner der Marke geworden sind. In welchem Stadium sind Sie zur Entwicklung gestossen?
Andreas Mindt: Als ich vor über zwei Jahren zu Volkswagen kam, war der neue T-Roc bereits nahezu fertig. Ich habe mich trotzdem eingebracht, allerdings war es mir wichtig, nicht alles noch einmal umzustossen, sondern den Prozess gemeinsam mit dem Team zu unterstützen. Ein Auto zu gestalten ist immer Teamwork, und ich liebe es, im Team zu arbeiten. Wir haben damals bei Volkswagen eine neue Designrichtung angestrebt, die mit der Studie ID. 2all sichtbar wurde. Der T-Roc nimmt diese Richtung auf.
Der T-Roc hat den Körper eines SUV, aber ein flaches Dach. Diese Kombination lässt ihn präsent und kraftvoll wirken.Andreas Mindt
Das Design eines Volkswagen soll progressiv sein und gleichzeitig allen gefallen. Wie passt das zusammen?
Die Kundinnen und Kunden wollen ein Auto, das funktioniert. Das war schon beim Käfer und beim Golf so, und das gilt auch heute. Bei Volkswagen steht Zuverlässigkeit im Mittelpunkt – basierend auf unseren drei Kernwerten: Stabilität, Sympathie und unserer «Secret Sauce». Genau das leben wir auch im Design.
Die Kunden wollen ein Auto, das funktioniert. Das war schon beim Käfer so, beim Golf, und das gilt auch heute.Andreas Mindt
Was genau steckt dahinter?
Stabilität bedeutet zum Beispiel klare, gespannte Flächen und eine breite Spur. Sympathie heisst für uns, dass wir freundliche Autos mit offenen Gesichtern und Scheinwerfern wie grosse Augen gestalten. Ein VW schaut nie grimmig. Der kommende ID.1 ist das beste Beispiel dafür. Und schliesslich braucht jeder VW etwas Besonderes, die Prise Pfeffer im Rezept sozusagen. Die «Secret Sauce» bei Volkswagen ist immer auch ein Hauch Sportlichkeit, sichtbar beim T-Roc durch seine breiten Radhäuser und das flache Dach. Diese emotionale Kraft macht den T-Roc in Europa so erfolgreich, und deshalb ist er für die Marke so bedeutend. Der T-Roc trägt Volkswagen in die Zukunft.
Inwiefern?
Er bildet eine Brücke zwischen der Welt der Verbrenner und der Elektromobilität – nicht nur technisch mit dem neuen Vollhybrid, sondern auch im Design. Der T-Roc kommt mit kleinerem Kühlergrill, wirkt geschlossener, klarer und trägt mehr Wagenfarbe. Bei Elektroautos gelten andere Rahmenbedingungen: Die Radstände sind durch die Batterie länger, die Überhänge kürzer, die Räder grösser, und sie stehen oft etwas höher auf der Strasse.
Müssen Elektroautos eigentlich anders aussehen?
Das war vor einigen Jahren so. Die Early Adopters wollten ein klares Zeichen setzen, dass sie Teil von etwas Neuem sind. Das Design musste auffallen. Heute ist das E-Auto im Mainstream angekommen. Trotzdem legt Volkswagen grossen Wert auf Eigenständigkeit im Design. Wir schauen nicht nach links oder rechts – wir machen das, was zur Marke und zum jeweiligen Produkt passt. So entsteht Charakter. Und Elektromobilität ist nur der erste Schritt. Als Nächstes kommt das vollvernetzte Smart Car, das noch viel mehr neue Möglichkeiten eröffnet.
KI hilft uns, effizienter zu arbeiten, entscheidend bleiben jedoch die Menschen und ihre Ideen.Andreas Mindt
Das tönt nach künstlicher Intelligenz. Was bedeutet KI für das Autodesign allgemein und für Ihre Arbeit konkret?
Eine gute Frage. KI verarbeitet aktuell häufig Informationen, die bereits online verfügbar sind. Aber daraus entsteht nicht automatisch gutes Design. Man braucht nach wie vor menschliche Kreativität und klare Entscheidungen darüber, was für eine Marke wichtig ist. KI kann im Prozess unterstützen, aber sie ersetzt nicht das Gespür und die Ideen der Designerinnen und Designer. Wenn ich zum Beispiel eine Skizze mache, kann mir die KI in Sekundenschnelle ein Rendering oder sogar eine Animation erzeugen. Das ist hilfreich, vor allem in frühen Phasen – aber die Richtung geben immer noch wir vor.
Wie unterstützt Sie Künstliche Intelligenz in der Praxis?
Wir haben KI einmal genutzt, um zu analysieren, wie ein Kotflügel geformt sein müsste, um den Lack besser vor hochfliegenden Steinen zu schützen – ein ganz praktischer Anwendungsfall. Oder wir haben Moodboards erstellt und die KI gebeten, daraus einen Innenraum zu gestalten. Das Ergebnis war innerhalb von Sekunden da. Aber die finale Entscheidung und die gestalterischen Korrekturen kommen selbstverständlich vom Team. KI hilft uns also, effizienter zu arbeiten, entscheidend bleiben jedoch die Menschen und ihre Ideen.
Klingt nicht so, als würden Sie sich ärgern, dass KI einen Teil Ihrer Arbeit übernimmt.
Ganz im Gegenteil, ich sehe sie als nützliches Werkzeug. Sie unterstützt unsere Arbeit und beschleunigt bestimmte Schritte. Und je schneller wir arbeiten, desto frischer ist das Design, wenn das Auto auf den Markt kommt. China ist hier extrem schnell – und wir passen uns diesem Tempo bei Volkswagen ebenfalls an.
Stichwort E-Autos und China: Wie sieht die Zukunft von Volkswagen dort aus?
Auf der Messe in Shanghai haben wir drei Showcars gezeigt, die beim chinesischen Publikum sehr gut angekommen sind. Die Serienmodelle werden zu etwa 80 Prozent so aussehen und kommen schon im nächsten Jahr auf den Markt. Wir steuern das globale Design zwar von Wolfsburg aus, haben aber immer die spezifischen Regionen und Märkte im Blick. Manche Designelemente sind über alle VWs hinweg erkennbar, aber der lokale Kontext spielt immer eine wichtige Rolle.
Zurück zum T-Roc. Was bedeutet dieses Modell für Sie persönlich?
Der T-Roc bringt viel Schwung mit. Es ist ein selbstbewusstes, ausgewogenes Fahrzeug, das zeigt, wie stark unser Designteam ist – und in welche Richtung sich Volkswagen weiterentwickelt. Rund um dieses Modell spürt man Aufbruchstimmung, Optimismus und Identität. Ich bin überzeugt, dass der T-Roc sehr erfolgreich sein wird und gleichzeitig den Weg bereitet für das, was als Nächstes kommt.
Welche Emotionen soll der T-Roc bei den Kundinnen und Kunden auslösen?
Das Gefühl, etwas Besonderes zu fahren. T-Roc-Käuferinnen und -Käufer suchen ein emotionales Auto, ohne auf Alltagstauglichkeit zu verzichten. Sie wollen komfortabel sitzen, einen guten Überblick haben, aber kein grosses Fahrzeug fahren. Und Volkswagen steht auch für die Demokratisierung von Technologie. Der T-Roc bietet viele Features, die man sonst nur in höheren Fahrzeugklassen findet. Bei der Elektromobilität gehen wir den gleichen Weg. Mit dem kommenden ID.1 bringen wir ein erschwingliches Elektroauto für unter 20.000 Euro – Elektromobilität, die sich jeder leisten kann. (Anmerkung: Preise für die Schweiz noch nicht bekannt)
Der ID.1 und der T-Roc sind ganz andere Fahrzeuge als die Bentleys, an denen Sie zuvor gearbeitet haben. Woher nehmen Sie Ihre Inspiration bei so unterschiedlichen Projekten?
Inspiration ist überall: in Architektur, Mode, Musik, im Alltag. Man braucht ein gutes Gespür dafür, was die Menschen heute bewegt. Aber ein grosser Teil kommt auch direkt aus der Marke. Bei Bentley habe ich gelernt, aus der Markenidentität heraus zu gestalten – und das funktioniert bei Volkswagen ebenso gut. Wenn man die Werte der Marke ernst nimmt, kann man die Geschichte von Volkswagen in die Zukunft tragen.
Was war das erste Projekt, das Sie in der Autowelt gestaltet haben?
Ich habe bei Porsche begonnen, am Interieur des ersten Cayenne. Mein erstes komplett eigenes Fahrzeug war das Showcar Bentley Hunaudière von 1999, ein Supersportwagen mit Mittelmotor. Für mich ein echter Glücksfall, ich war damals erst zwei Jahre im Job. Danach ging ich nach Brasilien und habe den VW Fox entworfen – vom exklusivsten zum günstigsten Auto im Konzern (lacht). Der Kontrast war enorm, aber auch unglaublich lehrreich. Vor allem, weil bei diesem Projekt das Thema Kosten eine zentrale Rolle spielte. Das ging weit über klassisches Autodesign hinaus.
Gibt es etwas, abgesehen von Autos, das Sie unbedingt noch gestalten möchten?
Auf jeden Fall. Man muss den Anspruch haben, alles gestalten zu wollen. Bei Volkswagen denken wir längst in 360-Grad-Design. Das bedeutet: nicht nur Exterieur und Interieur, sondern auch User Experience, Events, Apps, Showroom-Gestaltung – alles, was den Kontakt zur Marke prägt. Wir arbeiten sogar an Musik und Düften. Es wird ein echtes Markenerlebnis für alle Sinne.
Dieses Interview ist ebenfalls in der Automobil Revue erschienen. Dort ist zudem ein ausführliches Vorstellungsvideo des neuen T-Roc zu finden: